Andere Länder, andere Sitten. Das betrifft kulturell gesehen nicht nur Bräuche, Gesten und Mimik, sondern auch den Besuch des stillen Örtchens. Und weil wir alle mal müssen – egal ob schwarz oder weiß, reich oder arm, dick oder dünn, egal welcher Religion oder welchen Kulturkreis wir angehören – macht uns Menschen der unabwendbare, regelmäßige Besuch des stillen Örtchen so wunderbar und essentiell gleich.
Dieser skurrile Gedanke fällt mir auch in den Momenten öfters (leider viel zu selten) ein, wenn ich voll Angstschweiß gebadet und mit feuchten Händen auf eine Situation zusteuere, in der ich mich beweisen muss – vor anderen Menschen. Nicht der viel zitierte Ratschlag „Stell dir doch die Personen nackt vor“, beruhigt mich, sondern viel eher der Gedanke, dass die anderen auch alle Menschen sind und auch mal müssen. Dabei reicht sogar der Gedanke um mich zum Schmunzeln zu bringen – Detailvorstellungen benötige ich nicht.
Weltstars, Popsternchen, YouTube InfluencerInnen, PolitikerInnen, du, ich, alle – auch WeltraumfahrerInnen müssen aufs Klo! Genau genommen müssen diese gar nicht auf die Toilette, sondern in die Windel – wie die NASA im Zuge des bis Dezember 2016 ausgerufenen Ideenwettbewerbs – „Space Poop Challenge“ – zugibt. Für die besten Ideen zur Lösung der Kloproblematik im All gibt es ganz ansehnliche Preise zu gewinnen! Idee?
Aber ich muss gar nicht ins All fliegen, um mich mit der Toilettenproblematik zu beschäftigen, es reicht auch in andere Länder zu reisen. Denn beinahe jedes Land hat sein eigenes Klo-Abenteuer zu bieten.
„Mmmhh, Ähhh! … Entschuldigen Sie die intime Frage: Wie machen Sie das nun genau am stillen Örtchen?“, ist eine Frage, die sich dabei in regelmäßigen Abständen gedanklich aufdrängt. Laut ausgesprochen habe ich sie in den seltensten Fällen. Vielleicht im Gespräch mit anderen Reisenden, die ebenso des Rätsels Lösung suchten.
Was oftmals bleibt, ist ein Mutmaßen, Testen und Probieren mit Spritzpistolen, Kannen, Freilufttrocknen, linken Händen und das regelmäßiges Überwinden altbewährte Methoden aufzugeben. Die Intimsphäre bleibt da nicht selten auf der Strecke.
„Gut, dass ich sie (die Intimsphäre) manchmal in den Bergen vergesse.“, ist inzwischen ein weiterer Gedankengang. Eine Tatsache, die mich nach einer Expedition lange beschäftigt hat, wo einige unangenehme Dinge in nur wenigen Metern Entfernung erledigt werden mussten, da man sich in Gletscherspalten nicht verstecken kann.
Doch wer viel unterwegs ist, dem/der bleibt die intime Reise an die stillen Örtchen der Welt nicht erspart. Die kuriosen Bekanntschaften mit der weltweiten Toilettenkultur sind nämlich immer – ob gewollt oder ungewollt – all inklusiv. Und diese Tatsache ist kein utopisches Konstrukt, sondern rational und ohne Scham betrachtet pure Realität.
Lange habe ich überlegt wie ich meinen Beitrag gliedern soll. Mehrmals habe ich meine Struktur verworfen. Unerwartet stellte ich fest, dass ich über Toiletten und das Rundherum unglaublich viel zu sagen habe. Aber im Grunde ist das auch kein Wunder. Schließlich verbringen wir ungefähr ein Jahr unseres Lebens am Abort! Nun gut, let´s start travelling.
Inhalt
DIE TOILETTENPOSITION
Kurz und trocken ausgedrückt, die Toilettenwelt wird durch zwei unterschiedliche Positionen dominiert: Sitzen oder Hocken.
Für die meisten Menschen bei uns ungewohnt, hat die Hocktoilette weltweit die größere Verbreiterung. 2/3 der Weltbevölkerung gehen der Urin- und Darmentleerung in gehockter Position nach. Verbreitet ist diese vor allem in Zentral-/Südostasien, Afrika, China, der Türkei, Indien oder auch in Südeuropa wie Italien und Frankreich.
Obwohl der Hocktoilette zahlreiche positive gesundheitliche und hygienische Vorteile bescheinigt werden, scheint die Sitztoilette auf der langfristigen Überholspur. Unbeweglichkeit ist dabei das größte Schlagwort in Folge von Abnutzungserscheinungen von Gelenken, Bewegungsmangel und Übergewicht.
Dabei wäre die gehockte Position laut Studien die ergonomisch, günstigere Position für die Darmentleerung und zudem preiswerter in der Anschaffung und Wartung. Als hygienischer wird sie betrachtet, weil es keinen direkten Körperkontakt der benutzenden Person mit den potenziell verschmutzten Kloamaturen wie z.B. der Klobrille gibt.
Da die einen ihre Probleme mit der Sitztoilette und die anderen ihre Schwierigkeiten mit der Hocktoilette haben, sind unlängst entwickelnde Multikultitoiletten, welche einem die Wahl der präferierten Kloposition überlassen, meiner Meinung nach, eine zukunftsweisende, kulturübergreifende geniale Weiterentwicklung in der Toilettenhistorie. Vor allem im öffentlichen Raum würden sich dadurch eine Vielzahl an ekligen Verschmutzungen vermeiden lassen. Noch habe ich sie jedoch nirgends gesehen. Es heißt daher also: Abwarten – Tee trinken und …!
DIE KÖRPERREINIGUNG & DIE HILFSMITTEL
Auch bei der Reinigung nach dem Toilettengang gibt es zwei gegensätzliche Trends: die Verwendung von Wasser oder Papier.
Das Wasser, die Hilfsmittel & die Technik
Das Hilfsmittel Wasser kann mit einfacher bis ausgefeiltester Technik zum Einsatz kommen. Einfach bedeutet das eigene Mitführen von Wasser in einem Behälter, um sich zu reinigen und gegebenenfalls nachzuspülen. Gefolgt von bereitgestellten Wassertonnen auf den Sanitäranlagen, die einen Wassernachschub vor Ort garantieren.
Oder in weiterer Folge Fließwasser in Form eines seitlich an der Wand montierten Wasserhahns.
Eine weitere, geniale platzsparende Steigerungsstufe sind für die neben der Hock- oder Sitztoilette eigens montierten Wasserschläuche mit Spritzfunktion, welche vor allem in Thailand sehr verbreitet sind. Bidets, welche zusätzlich zur Toilette vor allem in Südeuropa in Sanitärräumen eingebaut sind, aber den Akt des Umsetzens benötigen, finde ich inzwischen schon als unpraktisch.
Das haben sich scheinbar mehr Leute gedacht und das sogenannte Dusch-WC entworfen. Auf Knopfdruck wird der in der Toilette eingebaute Wasserstrahl, à la Spritzpistole, aktiviert. Gereinigt wird per Wasserstrahl, getrocknet wird mit Papier oder Luft.
Als all-in-one Lösung stellt das japanische Washlet daher die absolute deluxe Klovariante dar. Vorgeheizte Klobrillen, eingebauter Wasserstrahl, Geruchsabzug, Geräuschübertönung und sogar ein Föhn zum Trockenen lassen alle Herzen von technikaffinen SanitärliebhaberInnen höher schlagen. Leider noch nie benutzt, muss ich dich für eine genaue Berichterstattung auf später vertrösten.
Exkurs: Die linke Hand
„Mmmhh, Ähhh, … um nochmal darauf zurückzukommen: Wie machen Sie das nun genau am stillen Örtchen so ohne Klopapier?“
Mit der linken Hand. Der linken Hand kommt bei der Reinigung nach dem Toilettengang weltweit eine besondere Bedeutung zu. Daher gilt sie in sehr vielen Kulturkreisen als unrein.
Regelmäßiges Händewaschen, vor allem vor dem Essen, wird daher in vielen Ländern sehr groß geschrieben. In Bangladesch gibt es beispielsweise in jedem Lokal ein Waschbecken, wo sich jede/r vor dem Essen ausnahmslos die Hände wäscht. Daran könnten sich einige ein Beispiel nehmen – auch wenn sie Klopapier verwenden.
Und wie funktioniert das jetzt genau? Ganz einfach. Die Kanne/der Behälter oder der Schlauch kommt in die rechte Hand, mit der linken Hand wird das Wasser mit der Handfläche aufgefangen und hochgespritzt oder eben mit der nassen Hand der Intimbereich gereinigt. Bei der praktischen Spritzpistolenschlauchverwendung wird direkt gezielt – „handgreiflich“ zu werden ist dann oft gar nicht nötig. Aber immer vorsichtig – bei ungeübter Verwendung kann es zu nassen Desastern kommen!!! Danach wird üblicherweise Luft getrocknet, selten ist zusätzliches Toilettenpapier oder Handtücher zum Trocknen vorhanden.
Als kleine Anmerkung: in den meisten Ländern, wo der Gang zur Toilette in dieser Form gehandhabt wird, wird sehr oft lange und weite Kleidung getragen, die weit über das Gesäß reicht. Etwaige nasse Flecken sind daher nicht zu sehen. Das „Problem“ haben nur westlich Reisende.
Das einmalige Toilettenpapier & die Umwelt
Einlagig, zweilagig, dreilagig, vierlagig – die qualitativen Unterschiede von Toilettenpapier weltweit sind groß. Während sich in Indien gefühlt das Toilettenpapier schon auflöst, wenn es mit der Hand berührt wird, gibt es im „Westen“ superweiches, supersaugfähiges, superreißfestes Klopapier zu kaufen. Das verbraucht wird in Massen!
Ich war richtig entsetzt als ich nach einer langen Asienreise und wasserreinigungssozialisiert, bemerkte wie die Toilettenpapierrollen bei gewohnter Handhabung nur so dahin schmolzen – wie ökologisch die Wasserreinigung war und wie viel sauberer man sich fühlte. Und wieviel Bäume – im wahrsten Sinne des Wortes – durch die Verwendung von Wasser kein beschissenes Ende genommen hatten.
Hier eine kleine Rechnung: pro Kopf lag der Papierverbrauch in Österreich 2014/2015 bei rund 230 kg. Rund 1/10 – also 23 kg fallen dabei allein pro Jahr für Hygienepapier an. Im Laufe des Lebens (unter der Annahme von 80 Jahren Klopapiernutzung) fallen dabei 1,2 Eukalyptus Bäume oder fast 3 Fichten pro Person nur unseren Hintern zum Opfer. Bäume, die erst einmal nachgepflanzt und über Jahre wachsen müssen. Ganz schön beschissen, was?
Es lohnt sich daher darauf zu achten, ob Bäume explixit für unseren Hintern gefällt, gefällt und nachgepflanzt oder für einen anderen Gebrauch erzeugt und für unseren Hintern gedowncycelt wurden.
Ob das Toilettenpapier nach Gebrauch in der Toilette entsorgt wird oder in einem Papierkorb daneben gesammelt wird, ist länderabhängig. Russland, Indien, Myanmar, Nepal und viele andere sammeln, in Thailand stellte ich ortsbedingte Unterschiede – quasi in einem Stadt-Land-Gefälle fest.
Prinzipiell wäre Klopapier dazu gemacht sich möglichst schnell in der Kanalisation aufzulösen. Damit Flutsch und weg das einmalig verwendbare Tissue-Papier und die Fäkalien in der dafür vorgesehenen Kanalisation landen und damit die Hygiene hoch, der Gestank gering und Seuchen vermieden werden können.
Doch nicht jedes Land hat bis jetzt die dafür nötige leistungsstarke Kanalisationsinfrastruktur.
KANALISATION & DIE ENTSORGUNG
Der am 19. November stattfindende Welttoilettentag erinnert daran, dass nicht alle den Luxus einer Kanalisation und wunderbarer Sanitäranlagen besitzen. Mehr als 40% der Weltbevölkerung haben bis dato keine ausreichenden hyggienischen Sanitäreinrichtungen zur Verfügung.
Dabei sind freiwillige Freilufttoilettengänge, denen Outdoorbegeisterte auf kurz oder lang nicht entkommen können, gar nicht miteinbezogen. Nur zur Info: Vergrabungstiefe sollte mindestens 15 cm betragen und 50 bis 100m von Wasserläufen entfernt stattfinden, Toilettenpapier eingraben oder verbrennen, Taschentücher in den Müllsack packen! Bei Gruppentouren sollte ein gemeinsames Toilettenzelt eine Selbstverständlichkeit sein!
Die Lösungen für eine fehlende Kanalisation sind unterschiedlich: direkt ins Wasser, gesammelt in eine Grube oder auch ins Sackerl. Ja, richtig gelesen. – „Ich hab ein Sackerl für dein Gackerl“ so wird das in vielen Orten in Grönland gehandhabt, wo der menschliche Abfall in großen, blauen Mülltüten gesammelt wird. Nur was mit diesen in weiterer Folge passiert, das weiß ich leider nicht. Ein Foto habe ich davon leider auch nicht gemacht. Auch ob wie bei mobilen Sanitäranlagen eine kräftige Chemiekeule darin enthalten war, kann ich mich nicht mehr erinnern.
Leider sind auch die verhassten mobilen Chemieklos eine Lösung, wo tief Luft geholt, sich jede/r vor dem Reingehen „ToiToi“ wünscht und am besten jemanden vorbereitet hat, der einem mit „Dixi“-Traubenzucker danach wiederbelebt. Zwar sind die BetreiberInnen – meinen Eindruck nach – bemüht das schlechte Image der Mobilklos zu minimieren, doch wurden ganze Generation durch desaströse Mobilklozustände auf diversen Festivals für ihr Leben nachhaltig geprägt. Oder nicht?
Bis vor einigen Jahrzehnten weit verbreitet war auch in unseren Breitengraden das Plumpsklo oder die sogenannte Trockentoilette. Während bei der einen alles gemeinsam in einer Sickergrube gesammelt wurde, wird Urin und Fäkalien bei der kompostierbaren Trockentoilette getrennt. Oft wird Sägespäne oder Rindenmulch beigefügt. Die effiziente Weiterverwendung und die Geruchsneutralität sind klare Vorteile. Oft gibt es dabei sogar einen wunderschönen Ausblick über die Umgebung.
Hocktoiletten, Sitztoiletten, Massen-Wc mit und ohne Trennwände, Toiletten mit den weltbesten Ausblicken – in einem Leben kann man so einiges erleben.
Wo war dein einprägsamsten Klo-Abenteuer? Trau dich und hinterlass mir ein Kommentar!
To be continued… Veröffentlicht im Dezember 2016.