Reisen verbindet. Und gemeinsam Berge besteigen noch mehr. Kein Wunder also, dass Annecy bzw. die Gegend um Annecy im Südosten Frankreichs und nur 40 km von der Schweizer Stadt Genf entfernt gelegen, weit oben auf meiner Reiseagenda stand. Annecy, das aufgrund seiner durch die Stadt führenden Kanäle auch als „Venedig der Alpen“ bekannt ist, liegt direkt am Lac d’Annecy mitten in den französischen Alpen in der Region Auvergne-Rhône-Alpes. Der höchste Berg der Alpen – der Mont Blanc (4810m) – ist Teil des Départements Haute-Savoie und bei guter Sicht von diversen Aussichtspunkten zu sehen.
Warum es mich in dieses Naturidyll verschlug, hatte einen ganz bestimmten Grund: Julia, eine Freundin von mir, die ich im Zuge des Sherpawomen Projekts von Salewa in Nepal kennengelernt hatte. Im Jahr 2014 war der kulturelle Austausch europäischer und nepalesischer Frauen am Programm gestanden. Sie war Teilnehmerin aus Frankreich, ich aus Österreich. Drei Wochen hatten wir gemeinsam beim Trekkingtraining im Annapurna Sanctuary mit allen Höhen und Tiefen verbracht und erfolgreich als Höhepunkt den 5695m hohen Tarpu Chuli bestiegen.
Ein Kurzbesuch von ihr in Wien zu Sommerbeginn und schon hatten wir gemeinsame Trekkingpläne durch die französischen Alpen geschmiedet. Keine 2 Monate später sagte ich daher „Bienvenue Frankreich!“.
Wie das Leben so spielt, machte uns Julias Arbeit einen gewaltigen Strich durch die Rechnung – für Mehrtagestrekking gab es keine Zeit. Stattdessen erkundete ich bei täglichen Ausflügen Annecy und die Umgebung – allein, mit neuen gewonnenen Freundinnen & Freunden, mit Julia und/oder ihrem Freund Fab.
So wie ich es liebe, stand Bewegung hoch im Kurs. Ohne Pausen folgte ein Abenteuer dem anderen und eine Sportart der nächsten. Wer also eine Multiabenteuersportwoche erleben will, ist in Annecy in Frankreich genau richtig. Von Wandern, alpinen Touren, Radfahren, Paragleiten, Schwimmen & Baden, Klippen springen und Wakeboarden – in Annecy kann man sich so richtig auspowern.
1. WANDERN
Nach einem gemütlichen Grillabend bei Freundinnen und Freunden stand am ersten Tag gleich eine kleine Wanderung am Programm. Mit FreundInnen startete ich am Vormittag einen Wanderausflug im Naturpark Massif de Bauges. Da ich mich um nichts kümmern musste, kann ich euch nicht mehr sagen, als dass ich den Schildern nach „La Combe“ folgte. „Sous la Roche (1380m)“ und „Chalet de la Combe“ stand auch einmal auf den Wegweisern. Wir plauderten die ganze Zeit während wir im Zickzack durch einen Wald nach oben gingen. Oben angelangt passierten wir eine Hütte – ich nehme an es war das Chalet de la Combe, stoppten jedoch nicht, sondern stiegen weiter nach oben an und verließen anschließend den angeschriebenen Wanderweg.
Der Grund: meine drei neuen FreundInnen würden mit Paragleitern nach unten segeln. Ich würde zu Fuß absteigen und mit dem zurückgelassenen Auto zum vereinbarten Treffpunkt fahren. Sie konnten mich nicht mitnehmen. Denn ein Tandemparagleiter stand an diesem Tag nicht zur Verfügung. Und ehrlich gesagt war mir das gar nicht unrecht.
2. RADFAHREN
Am nächsten Tag schwang ich mich auf einen alten Drahtesel und umrundete in einer gemütlichen Halbtagestour mit rund 38 km den Lac d’Annecy. Die „Promenade cyclable du Lac d’Annecy“ auf der Westseite des Ufers führt entlang der stillgelegten Bahntrasse von Annecy nach Doussard und ist auch für Familien bestens geeignet. Mit der Ausnahme einiger Wegkreuzungen, wo eine Straße gequert werden muss, ist der Fahrradweg komplett von der Straße getrennt. Zudem ist es super flach oder auf österreichisch gesagt – „brettleben“. Kurz vor Doussard gibt es einen größeren öffentlich zugänglichen Badestrand, der sich hervorragend zum Pause machen eignet.
Die Ostseite des Fahrradweges verläuft die meiste Zeit auf der normalen Straße. Ab und zu gibt es abgetrennte Fahrradwegabschnitte. Um Talloires herum gibt es ein paar Höhenmeter zu überwinden. Von Doussard aus kommend ist die Steigung steiler, aber kürzer. Danach geht es herrlich lang bergab. Im Umkehrschluss – von Annecy kommend ist die Steigung flacher, aber dadurch viel länger. Die kleinen Dörfer (z.B. Menthon-Saint-Bernard, Talloires, Veyrier-du-Lac) auf der Ostseite des Lac d’Annecy fand ich besonders entzückend!
Abschließend erkundete ich noch die Altstadt von Annecy. Ein paar Bildeindrücke davon gibt es am Ende des Beitrags.
3. PARAGLEITEN
Der Tag war mit der Fahrradtour noch lange nicht zu Ende. Das Wetter war wunderschön angesagt. Daher brachen wir – Julia, Fab und ich – am Abend Richtung dem La Tournette (2351m) auf, um hoch oben (nicht am Gipfel) zu schlafen und in der Früh mit der ruhigen Morgenthermik mit Paragleitern ins Tal zu fliegen.
In der Nacht hatte ich mich schon mit dem Paragleiter angefreudet, der uns als Schlafunterlage gedient hatte. Kaum aufgestanden, gepackt, den Schirm getrocknet und schon ging es los. Julia flog voraus. Mich nahm Fab(ien) mit, der auch Begründer der Paragleit-Firma Flyeo mit Shop und Stützpunkt in Doussard ist.
Ja, ich weiß. Ich habe oft ein riesen Glück. Denn in der gesamten Umgebung von Annecy hätte ich wohl keinen geübteren und besseren Paragleiter als Fab gefunden. So segelte er mit mir über die Landschaft. Erst als mir die Sinnlosigkeit des Anhaltens an den Leinen des Paragleiters klar wurde, entspannte ich mich. Und es war herrlich und ein soooo unglaublich angenehmes Gefühl. Ich kann es gar nicht beschreiben.Dass Flyeo von mir klarerweise eine Empfehlung bekommt, ist nicht verwunderlich, oder?
4. WAKEBOARDEN
Kaum wieder Boden unter den Füßen, stand schon das nächste sportliche Abenteuer am Programm – Wakeboarden. Nachdem wir vom Landplatz nach Doussard gegangen waren und am Heimweg noch für das Abendessen eingekauft hatten, hatten Julia und ich uns mit weiteren FreundInnen von ihr verabredet, die gerade mit dem Motorboot am Lac d’Annecy unterwegs waren. Bereitwillig holten sie uns von einem nahegelegenen Bootssteg ab.
Sie hatten sich Wasserski und ein Wakeboard ausgeborgt, die jeder der Reihe nach ausprobieren konnten – wir natürlich auch. Schon vor langer, langer Zeit einmal in Kärnten ausprobiert und als alte Snowboarderin wurde das Sportgerät meiner Wahl klarerweise das Wakeboard. Eine kurze Erklärung und schon surfte ich nach einem Wasserstart über die Kielwellen des ziehenden Motorbootes.
Meine stundenlangen Ausflüge der letzten Tage hatten mich zwar angestrengt, einen gewaltigen Muskelkater bescherte mir aber nur das ein paar Minuten dauernde Wakeboarden. Vor allem in meinen Armen, den Schultern und im Rücken spürte ich die Muskelanstrengung.
5. KLIPPEN SPRINGEN
Klippen springen? – Why not? Als keiner mehr Lust hatte Wasserski zu fahren oder am Wakeboard über das Wasser zu gleiten, fuhren wir zum Roc de Chére, am Ostufer des Sees gelegen, wo es die Möglichkeit gibt kleinere und größere Klippen zu springen (ich glaube zumindestens, dass die Klippen sich dort befanden). Zwischen 2m bis rund 10m hohe Klippen standen zur Auswahl. Ich wählte die niedrigste zum Einstieg und sprang ein zweites Mal von einer mittelhohen. Für höhere fehlte mir der Mut.
6. KLETTERN & KLETTERSTEIG GEHEN
Die Multisportwoche war noch nicht vorbei. Es war Sonntag und wenigstens einmal wollten Julia und ich gemeinsam in die Berge. Gemeinsam überquerten wir in Zweierseilschaft die „Dents de Lanfon“ auf der klassischen Berggratroute. Mehrmals musste wir nach dem Weg suchen, einmal Umkehren, weil Julias Kamera bei einer Pause zurückgeblieben war. Es wurde eine lange Tour, zumindest länger als geplant.
Sicherungshaken gab es nur bei Toureinstieg. Es gibt mehrere Pfade am Grat. Das französische Pendant zum österreichischen Bergfex ist scheinbar die Webseite Camptocamp und daher für Routenplanungen fürs Klettern und Bergsteigen zu empfehlen.
7. SCHWIMMEN & BADESPASS
Ein Sprung ins kühle, angenehme Wasser des Lac d’Annecy zum Baden und Schwimmen stellte den sportlichen Abschluss meiner Multiabenteuersportwoche dar. Der Lac d’Annecy gilt als einer der saubersten Seen Europas und hat Trinkwasserqualität. Die Wassertemperatur liegt im Sommer bei durchschnittlichen 24°C.
Das Schöne am Lac d’Annecy (bzw. an allen Seen Frankreichs) ist, dass Baden beinahe überall möglich ist. In Frankreich wurde laut Erzählungen ein Gesetz erlassen, das den Seezugang für alle Menschen sichert. Ein 3m breiter Streifen (bin nicht ganz sicher wie breit) zwischen Seeufer und angrenzenden Grundstück muss an allen Seen in Frankreich für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben. „Fussfreie“ Seegrundstücke gibt es nicht mehr!!! Fortschrittlich, was? Bei so einem Gesetz hat man tatsächlich das Gefühl, dass alle Menschen im Vordergrund stehen und nicht eine einzelnene Person mit gut gefüllter Brieftasche.
Und eben deswegen kann beinahe überall am Ufer des Sees bei freiem Zutritt gebadet werden. Wer lieber in belebter Badeumgebung schwimmen gehen will, an den beiden Seeenden gibt es größere Badezonen. Besonders gemütlich ist es in Doussard, wo ich auf meiner Seeumrundung mit dem Fahrrad eine Pause eingelegt habe.
Wer übrigens vom Wassersport noch nicht genug hat, könnte am Lac d’Annecy auch noch Tauchen. Mitten im See gibt es das schon ein wenig sagenumwobene Schifffrack „Le France“ zu entdecken.
Wenn du nun fertig gelesen hast und dich noch immer fragst in wen ich mich nun verliebt habe!? Nein, ich habe mich nicht heillos in einen sympathischen Franzosen verliebt (auch wenn es zugegebenermaßen viele davon geben würde), verliebt habe ich mich in die Vielzahl an unterschiedlichen Aktivitäten, die in Annecy und der Umgebung möglich sind, in die Landschaft und ein wenig ins Paragleiten.
EINDRÜCKE VON DER BILDERBUCHSTADT ANNECY, DEM VENEDIG DER ALPEN
NÜTZLICHE INFOS FÜR DIE GEGEND UM ANNECY
Anreise
Der näherste internationale Flughafen befindet sich nur 40 km entfernt in der Schweizer Stadt Genf. Schon 125 km entfernt ist der Flughafen Lyon Saint-Exupéry. Von Genf gibt es regelmäßige Busverbindungen mit der Ligne Transalis Annecy – Genève (Linie T72 oder T73). Werktags verkehren die Linien in regelmäßigen Abständen zwischen 6:00 und 21:00, am Wochenende zwischen 8:20 und 21:00. Die Fahrtzeit beträgt rund eine Stunde, der Fahrpreis liegt bei 10-12€.
Günstiger und äußerst beliebt (nicht nur auf der Strecke zwischen Genf und Annecy, sondern in ganz Frankreich!) sind private Mitfahrgelegenheiten. Zwischen Genf und Annecy wird meist ein Fahrpreis zwischen 4-5€ vereinbart.
Annecy ist zudem an das TGV Netzwerk der französischen Bahn angeschlossen.
Sprache – Parlez-vous français?
Wer kein Französisch spricht und sich in Frankreich sorgt mit Englisch nicht weit zu kommen, irrt, meiner persönlichen Meinung nach. Ich behaupte nach Frankreich zu reisen ohne französisch zu sprechen, ist ohne Sorgen möglich. Franzosen und Französinnen zählen zu den reisefreudigsten Nationen weltweit. Sie sprechen vielleicht nicht perfekt Englisch (aber das tue ich bei Weitem auch nicht), eine Basisverständigung ist problemlos möglich.
Im Notfall bleibt noch die Möglichkeit nach Brian zu fragen („Where is Brian?“). Ich schwöre jede/r Franzose/Französin kann sie beantworten („Brian is in the kitchen.“).
Meine Reise in die Gegend um Annecy in Frankreich fand vom 24.-29. August 2016 statt. Es handelte sich um eine private Reise. Besonderer Dank für die tolle Woche geht an Julia & Fab – Merci beaucoup!